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Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Arbeitsmodelle und Status Quo

Autor: Ann-Katrin Grass

Saarbrücken (24.03.2022): Work-Life-Balance ist heutzutage ein heißes Thema. Viele Berufstätige haben Mühe, ihre Karriere und ihr Privatleben unter einen Hut zu bringen. Wie handhaben Sie beides? Viele Eltern haben Schwierigkeiten, ihr Privatleben mit ihrem Berufsleben in Einklang zu bringen. Wie schafft man es, beides unter einen Hut zu bringen? Welche Möglichkeiten gibt es, um es einfacher zu machen?

 

Wie steht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland?

In Deutschland gibt es über vier Millionen Familien mit berufstätigen Eltern. Davon arbeiten in vielen Haushalten beide Elternteile in Vollzeit. Nur etwa die Hälfte dieser Familien hat die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Alleinerziehende waren von KiTa- und Schulschließungen während der Corona-Krise besonders betroffen. Etwa 35 % von ihnen hatten keine Möglichkeit, aus der Ferne zu arbeiten [5]. Von zu Hause aus zu arbeiten ist nicht für jeden eine Option und vom Jobprofil abhängig. Alleinerziehende, die von zu Hause aus arbeiten möchten, müssen sicherstellen, dass ihre Kinder gut versorgt sind. Mütter tragen oft den größten Teil der Kinderbetreuung, aber auch für Väter ist das Thema sehr wichtig (schließlich gibt es auch viele alleinerziehende Väter).

 

Deutschland und die Niederlande sind im europäischen Vergleich die Spitzenreiter, wenn es um die Erwerbstätigenquote geht [6]. Insbesondere der Anteil von Frauen und älteren Menschen, die berufstätig sind, ist in den letzten Jahren anhaltend gestiegen. Im Jahr 2003 lag die Erwerbstätigenquote von Frauen noch bei etwa 61,9% (Männer: 74,7 %). Im Jahr 2020 betrug diese 76,9% (Männer: 83,2%). Interessant ist auch die Erwerbstätigenquote von Männern und Frauen, in deren Haushalten minderjährige Kinder zu versorgen waren. Im Jahr 2019 waren 74,7% der Frauen mit minderjährigen Kindern im Haushalt beruflich eingebunden, bei den Männern sogar 92,9% [7]. Im Vergleich dazu lagen diese Quoten im Jahr 2009 bei 66,7% (Männer: 90,6%) und ist somit insgesamt gestiegen.

 

Was versteht man unter Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Fähigkeit, Arbeit und Familie miteinander zu vereinbaren, ohne das eine für das andere zu opfern. Dazu gehört, genügend Flexibilität zu haben, um Änderungen im Zeitplan zu berücksichtigen, Stress zu Hause und bei der Arbeit bewältigen zu können und sich zu Hause und bei der Arbeit unterstützt zu fühlen. Neben der Kinderbetreuung spielt auch die Pflege von Angehörigen eine wichtige Rolle, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht.

 

Demografische Veränderungen und ihre Auswirkungen

Die demografische Entwicklung in Deutschland führt zu einer rückläufigen Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter [4]. Damit stehen dem Arbeitsmarkt weniger Erwerbspersonen zur Verfügung. Die Erwerbsbevölkerung wird zwischen 2020 und 2060 voraussichtlich um 16 Millionen Arbeitnehmer zurückgehen. Um diesen demografischen Effekt abzumildern, wird auf Zuwanderung und die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen gesetzt. Das wird natürlich auch für Familien spürbar.

 

Auch viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass sowohl für Mamas als auch Papas die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr wichtig ist [3]. So sagen 82% der Unternehmensvertreter*innen, dass die Betreuung von Kindern „ein zentraler Faktor für die Produktivität ihres Unternehmens ist“. Für erwerbstätige Eltern bedeutet das, einen Arbeitgeber zu finden, der eine entsprechende Unternehmenskultur zulässt und auch Verständnis für die Herausforderungen von Familien zeigt, die neben der Arbeit Betreuungsaufgaben zu bewältigen haben.

 

Kann man Familie und Beruf vereinbaren?

Frauen beteiligen sich zunehmend am Erwerbsleben. Das bedeutet, dass es mehr Menschen gibt, die Kinderbetreuung benötigen. Politiker und Arbeitgeber müssen Wege finden, diesen Familien zu helfen. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice könnten als Lösungsansätze genutzt werden. Berufstätige Mütter und Väter müssen bei der Wahl des Arbeitsplatzes und der Kinderbetreuung aufpassen. Es besteht ein hohes Risiko der Unvereinbarkeit, wenn Sie sich für einen Job entscheiden, der zu viel Zeit erfordert. Dabei ist auch die Qualität der Kinderbetreuung zu berücksichtigen, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann.

 

Was sind mögliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Berufstätige Mütter und Väter stehen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor vielen Herausforderungen. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice helfen berufstätigen Eltern, ihr Leben besser zu meistern. Das geht aber nicht in jedem Beruf. Um sich der Frage zu nähern, was man tun kann, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhöhen, kann man drei Ebenen betrachten: individuell, betrieblich und staatlich.

 

Auf der individuellen Ebene geht es darum, sich mit Partner und Familie abzustimmen und mögliche Ressourcen zu identifizieren, die Kinderbetreuung und Pflege zusammen mit der Berufstätigkeit erleichtern können. Das heißt: Will ich in Teilzeit oder Vollzeit arbeiten? Kann ich mein Arbeitsmodell anpassen, um Zeit für Betreuungsaufgaben (und Erholung!) zu haben? Welche Aufgaben muss ich abgeben, damit dies gut gelingt?

 

Auf der betrieblichen Ebene ist es wünschenswert, wenn die Unternehmen Mitarbeitenden mit familiären Verpflichtungen unter die Arme greifen. So sollten Arbeitgeber von sich aus die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen wie Arbeitszeitmodelle konzipieren und das mit der Belegschaft kommunizieren. Dann wird es nicht zur Mammutaufgabe, wenn ein Mitarbeitender den Wunsch nach einer Veränderung der eigenen Position zugunsten der Familie äußert. Ein weiterer Punkt, der in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnt: Betriebliche Kinderbetreuungsangebote wie ein Betriebskindergarten.

 

Auf der staatlichen Ebene wird versucht, mit Elterngeld und Elterngeld Plus die Bedingungen für berufstätige Eltern zu verbessern. Ziel ist es, Paaren finanzielle Anreize zu geben, um „eine ausgewogenere Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit zu entwickeln“ [2]. Zudem sind gute Betreuungsangebote wichtig, die es auszubauen gilt. Die Erhöhung entsprechender Investitionen ist daher ein relevanter Schritt zu mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

 

Welche Arbeitsmodelle sind gut für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Betriebliche und staatliche Maßnahmen können von Familien nur wenig bis gar nicht beeinflusst werden. Daher stellt sich die Frage, wo man ansetzen kann. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit haben sich immer mehr Modelle entwickelt, die eine Überlegung (auch aus Arbeitgebersicht!) wert sind. Dazu hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) einen Leitfaden erstellt, der einen Überblick über mögliche Arbeitsmodelle gibt [1]:

 

  • Vollzeitnahe Teilzeitmodelle und Teilzeit plus (z.B. 36 Stunden-Woche)
  • Gleitzeit mit Lebensarbeitszeitkonto
  • Individuell vereinbarte Teilzeitmodelle
  • Teilzeit in Kombination mit Telearbeit und Homeoffice
  • Mobiles Arbeiten in Teilzeit
  • Jobsharing (insb. für Führungskräfte interessant)

 

Arbeitszeitmodelle sollten individuell auf den Mitarbeitenden und das jeweilige Unternehmen zugeschnitten werden. Für dieses Problem gibt es keine Patentlösungen. Viele Unternehmen haben verschiedene Ansätze für dieses Problem ausprobiert. Die Situation ist vielen Arbeitgebern bekannt, weshalb im Zweifelsfalle der Schritt ins Personalbüro gewagt werden sollte. Hier lässt sich klären, wie und warum das Arbeitsmodell verändert werden soll. In einem Gespräch lässt sich auch erörtern, was von beiden Seiten aus möglich ist, denn je nach Beruf kann die Bandbreite begrenzt sein.

 

Wichtig ist, offen miteinander zu kommunizieren. Ein solches Gespräch kann im Vorfeld viel Aufregung verursachen, ist aber meistens der beste Weg. Familienaufgaben betreffen nicht nur Einzelpersonen, sondern sind die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft. Um eine Matrize für die übrige Belegschaft zu schaffen, macht es Sinn, auch weitere Mitarbeitende einzubinden. Vielleicht kommen so weitere gute Ideen zutage und man findet zusammen Möglichkeiten, sich gegenseitig zu unterstützen.


Autor

Ann-Katrin Graß

M.A. Prävention & Gesundheitsmanagement

 

Ann-Katrin "Anka" Graß arbeitet seit 2012 in der Gesundheits- und Sozialbranche. Ihre Themen sind Bewerbungstraining, Coaching und Bildungsberatung. Sie arbeitet mit Fach- und Führungskräften, die am Anfang ihrer Karriere stehen und sich beruflich entwickeln möchten. Sie beantwortet gerne Fragen der Personalentwicklung mit Bezug zu Industrie, Technik und Handwerk.

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anka@job-designer.de

www.annkatringrass.de


Bildnachweis

Vorschaubild: Photo by Caroline Hernandez on Unsplash

Titelbild: Photo by Jeremy Thomas on Unsplash


Quellen

  1. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2016) Familienbewusste Arbeitszeiten, Berlin, Rostock
  2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2017) Maßnahmen für mehr Vereinbarkeit vorantreiben. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/massnahmen-fuer-mehr-vereinbarkeit-vorantreiben-115764. Zugriff am 24.3.2022
  3. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020) Neue Chancen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/neue-chancen-fuer-die-vereinbarkeit-von-beruf-und-familie-160590. Zugriff am 24.3.2022
  4. Fuchs J, Söhnlein D, Weber B (2022) Demografische Alterung führt zu einem stark sinkenden Erwerbspersonenpotenzial. Wirtschaftsdienst 102(2): 148–150
  5. Müller K-U, Samtleben C, Schmieder J et al. (2020) Corona-Krise erschwert Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für Mütter – Erwerbstätige Eltern sollten entlastet werden. DIW - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
  6. Rudnicka J (2022) Erwerbstätigenquote in Deutschland nach Geschlecht bis 2020. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/198921/umfrage/erwerbstaetigenquote-in-deutschland-und-eu-nach-geschlecht/. Zugriff am 24.3.2022
  7. Rudnicka J (2022) Erwerbstätigenquote von Männern und Frauen mit minderjährigen Kindern bis 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/972869/umfrage/erwerbstaetigenquote-von-maennern-und-frauen-mit-minderjaehrigen-kindern/. Zugriff am 24.3.2022

 


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