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Unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch

Das darf der Arbeitgeber nicht fragen

Autor: Ann-Katrin Grass

Saarbrücken (30.03.2022) - Zum Schutz vor Benachteiligung gibt es einige Informationen, die Arbeitgebende im Bewerbungsverfahren nicht erfragen dürfen. Dabei existieren einige Unsicherheiten. Muss ich meinem Arbeitgeber etwas über eine Erkrankung sagen, die vielleicht Auswirkungen auf meinen Arbeitsplatz haben könnte? Wie verhalte ich mich richtig, wenn eine unzulässige Frage gestellt wird? Wo bekomme ich mehr Informationen zum Thema Antidiskriminierung und Schutz vor Benachteiligung?

 

Was darf der Arbeitgeber beim Bewerbungsgespräch nicht fragen?

Was der Arbeitgeber fragen oder nicht fragen darf, ergibt sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) [1]. Zudem gibt es Entscheidungen von arbeitsgerichtlicher Seite, wie dieses Gesetz (und andere Gesetze, die auf das Arbeitsverhältnis Einfluss nehmen) zu interpretieren ist. Beispielsweise entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Februar 2003 (AZ: 2 AZR 621/01), dass man bei bestimmten Fragen im Vorstellungsgespräch sogar lügen darf [3]. Im vorliegenden Fall wollte sich der Arbeitgebende von der Bewerberin versichern lassen, dass keine Schwangerschaft vorliegt.

 

Demnach sollten Arbeitgeber immer auf Fragen verzichten, die eine Benachteiligung im Sinne der Allgemeinen Gleichbehandlung nach sich ziehen könnte. Im Gesetz heißt es dazu wörtlich: „Ziel (…) ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ [1]. Daher sind folgende Fragen nicht zulässig und können daher mit einer Lüge seitens des Bewerbers beantwortet werden:

  • Fragen nach den finanziellen Verhältnissen
  • Fragen nach Gewerkschafts- oder Parteimitgliedschaft
  • Fragen nach Schwangerschaft und Kinderwunsch
  • Fragen nach Religionszugehörigkeit und Glaubensausübung
  • Fragen nach Vorstrafen oder Verurteilungen

Grundsätzlich sollten sich Arbeitgebende immer vorab informieren, welche Fragen sie stellen dürfen und welche Informationen wirklich vom Bewerber benötigt werden. Verletzt eine Frage die Rechte des Bewerbers, kann der Arbeitgeber nach BGB § 313 sogar schadenersatzpflichtig werden [2]. Dabei muss man bedenken, dass eine Frage an sich häufig nicht direkt „illegal“ ist, sondern es vielmehr um die dahinterstehende Absicht geht – in Falle des AGG geht es darum, die Benachteiligung eines Bewerbers aufgrund der obenstehenden Verhältnisse zu auszuschließen.

 

In jedem Falle sind entsprechende Nachfragen für Bewerber sehr unangenehm. Und was soll man tun, wenn es dann doch zu einer solchen Frage kommt? Wie verhalte ich mich richtig? Schließlich will man als Bewerber normalerweise nicht lügen. Ein Hinweis, auf die Unzulässigkeit, führt wahrscheinlich ebenso zu einer negativen Gesprächsatmosphäre auf beiden Seiten.

 

Wie verhalte ich mich, wenn der Arbeitgeber eine unzulässige Frage stellt?

Idealerweise kann man auch mit diesen Fragen souverän umgehen. Dabei sollte man insbesondere darauf achten, wie die Frage genau formuliert wurde. Während man eine Frage wie „Sind Sie schwanger?“ nur mit Ja oder Nein beantworten kann, geben Aussagen wie „Diese Stelle ist nicht geeignet, wenn man eine Familie gründen will“ wesentlich mehr Spielraum, um das eigene Verhalten danach auszurichten, indem man vielleicht gar nicht darauf eingeht. Natürlich müssen Sie am Ende selbst entscheiden, wie Sie mit einem solchen Arbeitgeber umgehen möchten, denn hier spielt auch die eigene Würde eine Rolle.

 

Souveräner Umgang mit unzulässigen Fragen

Doch unserer Erfahrung nach ist es für den Bewerber oft angenehmer, sogar auf unzulässige Fragen professionell vorbereitet zu wirken. Auf diese Weise kann man ein Vorstellungsgespräch zu Ende bringen, ohne sich im Nachgang zu viel ärgern zu müssen. Eine selbstsichere Antwort auf eine indiskrete Frage nach den finanziellen Verhältnisse oder dem Kinderwunsch kann beispielsweise lauten: „Ich bin mit meiner privaten Situation sehr zufrieden und würde mit Ihnen lieber über meine zukünftigen Aufgaben in Ihrem Unternehmen sprechen.“

 

Mit dieser Aussage wird betont, dass einem die Fragestellung zu stark in den persönlichen Bereich abdriftet, ohne dabei unhöflich zu wirken. Gleichzeitig lenkt man das Gespräch zurück auf das eigentliche Thema – denn bei einem Vorstellungsgespräch geht es darum, herauszufinden, ob und wie man mit den spezifischen Herausforderungen der Stelle umgehen wird. Auch Rückfragen wie „Inwiefern ist dieser Umstand für meine zukünftige Arbeit bei Ihnen wichtig?“ sind legitim und lassen den Bewerber professionell wirken – vielleicht sogar professioneller als einen indiskreten Arbeitgeber.

 

Was muss ich dem Arbeitgeber über meine Erkrankung mitteilen?

Bei Fragen nach Erkrankungen oder Behinderungen verhält es sich sehr spezifisch. Zwar dürfen Arbeitgeber auch hier einen Bewerber nicht benachteiligen, doch es gibt Ausnahmen, wenn ein direkter Bezug zwischen Krankheit und beruflicher Tätigkeit besteht. Ob die Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch der Gesetzeslage zuwiderläuft, wurde bisher noch nicht abschließend geklärt. Eine Frage nach Behinderung ohne spezifischen Bezug zur Tätigkeit ist allerdings nicht im Sinne der Allgemeinen Gleichbehandlung.

 

Für bestimmte Berufe gibt es gesetzlich vorgeschriebene Einstellungsuntersuchungen. Bei einer Lehre im Bereich der Elektrotechnik ist beispielsweise eine Rot-Grün-Schwäche oft ein Ausschlusskriterium. Dabei geht es um Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit. Je nach Berufsgruppe können bestimmte Untersuchungen Pflicht sein (z.B. die G42-Untersuchung für Gesundheits- und Pflegeberufe). Es kann sein, dass der Arbeitgeber im Zuge des Vorstellungsgesprächs darauf hinweist und das ist natürlich auch zulässig.

 

Eine sogenannte „Offenbarungspflicht“ besteht in Hinblick auf Krankheiten oder Behinderungen dann, wenn zu erwarten ist, dass der Bewerber die Tätigkeit aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung nicht ausüben kann. Ohne Bezug zur auszuführenden Tätigkeit müssen Erkrankungen und Behinderungen jedoch nicht mit dem Arbeitgeber in spe besprochen werden. Bei Unsicherheiten kann man auch hier wieder den „Trick“ der Rückfrage anwenden: „Damit ich Ihre Frage richtig beantworten kann: Können Sie mir bitte sagen, wozu Sie diese Information brauchen und wie dies mit meiner Arbeit bei Ihnen zusammenhängt?“

 

Vorstrafen und Verurteilungen: Muss ich dazu wirklich nichts sagen?

Eine gute Integration in den Arbeitsmarkt ist wichtig, um straffälliges Verhalten vorzubeugen. Für Rehabilitanden ist die Suche nach einem Arbeitsplatz von großer Bedeutung, weshalb dieses „Tabu-Thema“ an dieser Stelle aufgegriffen wird. Schließlich wurden 2019 in Deutschland über 590.000 Männer und mehr als 136.000 Frauen rechtskräftig verurteilt [4], was die gesellschaftliche Tragweite unterstreicht. Mit Fragen zu Vorstrafen verhält es sich ähnlich wie mit denen nach Erkrankungen: Sie sind unzulässig, wenn sie nichts mit der Tätigkeit zu tun haben.

 

Wichtig ist hierbei zu bedenken, dass an dieser Stelle von einer Tätigkeit in der freien Wirtschaft ohne besondere Sicherheitshintergründe ausgegangen wird. Wer beispielsweise in einem Unternehmen anfangen will, in dem Wehrtechnik produziert wird oder das Brandmeldeanlagen in Bundeswehrkasernen wartet, muss manchmal eine gesonderte Sicherheitsprüfung durchlaufen. Hierüber wird in der Regel vorab in der Stellenanzeige und im Vorstellungsgespräch informiert.

Auch im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes können besondere Anforderungen gestellt werden, die in der Regel mit Vorlage eines (erweiterten) Führungszeugnisses nachgewiesen werden müssen. Grundsätzlich gibt es aber kein allgemeines Recht des Arbeitgebers, nach Vorstrafen zu fragen. Zudem dürfen auch keine Fragen nach Ermittlungsverfahren gestellt werden, die abgeschlossen wurden und zu keiner Verurteilung geführt haben. Nach laufenden Verfahren darf gefragt werden, insofern es einen direkten Bezug zur Tätigkeit gibt oder eine Gefährdungslage besteht.

 

Was darf der Arbeitgeber fragen?

Der Arbeitgeber darf grundsätzlich Fragen stellen, da dieser ein berechtigtes Interesse daran hat, um eine Auswahl treffen zu können. Diese Fragen dürfen gesetzlichen Vorgaben natürlich nicht zuwiderlaufen. Zulässige Fragen des Arbeitgebers sind wahrheitsgemäß zu beantworten, da man sonst einen Täuschungsversuch vornimmt – schließlich gibt es noch mehr Bewerber, die gegebenenfalls schlechtere Chancen auf den Arbeitsplatz haben würden.

 

Welche Informationen darf der Arbeitgeber verlangen?

Wer im Personen- oder Güterverkehr arbeiten möchte, muss sich beispielsweise darauf vorbereiten, dass nach einer gültigen Fahrerlaubnis gefragt wird. Generell wird häufig nach dem Führerschein gefragt, da Mobilität in fast jedem Job wichtig ist. Den Entzug der Fahrerlaubnis müssen Sie Ihrem (zukünftigen) Arbeitgeber nur dann mitteilen, wenn es etwas mit Ihrer Tätigkeit zu tun hat. Allgemeine Fragen zur Mobilität wie das Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs oder zur Umzugsbereitschaft sind erlaubt.

 

Weitergehend müssen Fragen zum akademischen und beruflichen Werdegang sowie der Schulbildung wahrheitsgemäß beantwortet werden. Auch Wettbewerbsverbote können erfragt werden, wenn beispielsweise ein Physiotherapeut noch in einer anderen Praxis angestellt ist oder es um die Position eines Spitzenmanagers geht. Zudem darf über berufliche Erfahrungen und die zeitliche Verfügbarkeit des Bewerbers gesprochen werden.

 

Wo erhalte ich nähere Informationen zum Thema Schutz vor Benachteiligung?

Leider ist Diskriminierung beim Bewerbungsverfahren oder am Arbeitsplatz immer noch ein Thema in unserer Gesellschaft. Wenn Sie befürchten, Opfer von Diskriminierung geworden zu sein oder sich zu dem Thema beraten lassen möchten, können Sie sich bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beraten lassen. Zudem haben größere Unternehmen oft eine(n) Gleichstellungsbeauftragte(n) oder einen Betriebsrat, der bei spezifischen Fragestellungen betreffend das jeweilige Unternehmen unterstützend zur Seite steht.

 

Hinweis: Die hier aufgeführten Informationen wurden durch eigene Erfahrungen und Recherchen zusammengetragen. Eine rechtsverbindliche Auskunft kann an dieser Stelle nicht gegeben werden. Wenden Sie sich bei Unsicherheiten immer an juristisch geschultes Personal – nur diese können Ihnen im Streitfall die richtige Unterstützung zukommen lassen und Sie rechtlich beraten.


Autor

Ann-Katrin Graß

M.A. Prävention & Gesundheitsmanagement

 

Ann-Katrin "Anka" Graß arbeitet seit 2012 in der Gesundheits- und Sozialbranche. Ihre Themen sind Bewerbungstraining, Coaching und Bildungsberatung. Sie arbeitet mit Fach- und Führungskräften, die am Anfang ihrer Karriere stehen und sich beruflich entwickeln möchten. Sie beantwortet gerne Fragen der Personalentwicklung mit Bezug zu Industrie, Technik und Handwerk.

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anka@job-designer.de

www.annkatringrass.de


Bildnachweis

Vorschaubild: Photo by Studio Blackthorns on Unsplash

Titelbild: Photo by Etienne Girardet on Unsplash


Quellen

1.    (14.08.2006) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. In: Gesetze im Internet
2.    Bundesministerium der Justiz (30.12.2021) Bürgerliches Gesetzbuch § 313 Störung der Geschäftsgrundlage
3.    Kanzlei Hensche (2013) BAG, Urteil vom 06.02.2003, 2 AZR 621/01. https://www.hensche.de/Fragerecht_Schwangerschaft_kein_Fragerecht_nach_Schwangerschaft_im_Vorstellungsgespraech_trotz_Beschaeftigungsverbot_BAG_2AZR621-01-u.html. Zugriff am 30.3.2022
4.    Rudnicka J (2022) Rechtskräftig verurteilte Männer und Frauen in Deutschland bis 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1068769/umfrage/rechtskraeftig-verurteilte-personen-in-deutschland-nach-geschlecht/. Zugriff am 30.3.2022


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